May 5, 2020
Wir müssen uns für etwas freimachen, nicht von etwas. Fragen sie sich, wo empfinde ich Unfreiheit, wieverändert sich das im Laufe der Zeit, was macht sie und wann wird Freiheit zum Engpass?Dann verstehen wir besser die für uns lebenswichtige Freiheit.
Hinter jedem Wunsch nach Freiheitsteckt die Sehnsucht nach Unabhängigkeit. Wenn ein Engpass vorliegt, ich michbedrängt fühle und heraus möchte, erlebe ich Unfreiheit, je nachdem in welcherSituation oder Alter ich bin, völlig anders. Die Fähigkeit sich auf Lebenssituationeneinstellen zu können, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt, manche schnell,andere hadern ein ganzes Leben damit. Sie können gar nicht ertragen, dass es soist und davon ausgehend sich nicht darauf einstellen. Das macht eineunterschiedliche Fähigkeit aus, glücklich zu sein.
Erziehung ging früher stärker dahinzu lernen mit Grenzen umzugehen. „Was Hänschen nicht lernt“ …, wenn ich nichtin meiner Jugend gelernt habe mit Grenzen kreativ und ertragend umzugehen undauch ausblenden meinen Blick auf das Gute wenden kann, … „lernt Hansnimmermehr.“ Sich selbst Grenzen setzen zu können, muss man üben. Das hilft, wennman vor wirklich ernsten Grenzen steht, nicht völlig erschrocken zu sein,sondern Mittel und Wege zu finden, aus der Sache rauszukommen.
Es gibt viele Grenzen: mittellosoder ohnmächtig zu sein, unwissend oder unwillig oder lieblos zu sein. Esgelingt nicht zu denken, was man will und nicht zu wollen, was man denkt. Dassind zusammengefasst bedrängte Freiheiten. Aus der Wandervogelbewegung stammtdas davon sprechende Lied: „die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten“ …, …“esbleibe dabei, die Gedanken sind frei.“ Damals war den Menschen bewusst: denkenzu können was man will und umgekehrt wollen zu können was man denkt, istherausfordernd. Mein Vater hat mich gelehrt: „Jung mach`s gern, machen musst`es doch.“ Das ist eine interessante Formulierung, die fordert das zu lieben,was man zu tun hat. Goethe hat es freier formuliert: „Pflicht ist, wenn ichliebe, was ich mir selbst befohlen habe.“ Da ist das „selbst“ zweimaldrin. Mir etwas selbst zu befehlen setzt die Einsicht in die Notwendigkeitvoraus. Das ist es, was die Menschen heute brauchen. Die wollen wissen, wozusie das machen sollen, was dadurch möglich werden kann, wozu ist gut ist.
Man kann gegen seine Angst Andenkenund auch gegen seinen Schmerz. Diese befreiende Kraft steckt in uns. Aberdieses denken was ich will, erfordert viel Übung. Ich war einmal wirklich inLebensgefahr und davon so beeindruckt, dass ich keinen Gedanken zu Ende denkenkonnte. Ich habe einen Text gebraucht, wie ein Mantra, etwas mir sehr Vertrautesund oft Gesprochenes. Daran habe ich mich langsam hingearbeitet, es an einemStück sprechen zu können, ohne zwischendurch von anderen Gedanken unterbrochenzu werden. Das erforderte Anstrengung, bis ich dazu in der Lage war. Erst abdann konnte ich denken, was ich wollte und meine Situation vernünftig überlegenund was jetzt zu tun sei und zu lassen.
Es geht nicht darum, dass wir uns wünschenganz frei zu sein. Das gelingt ohnehin nicht. Es bleibt immer etwas von dem wirabhängig sind im Leben. Selbst Menschen, die sehr viel Macht und sehr vielVermögen haben, behalten das Gefühl nicht frei zu sein, schon gar nicht von anderenMenschen. Auch sie brauchen immer Menschen, sie brauchen Verbindungen zu ihnen,ihre Hilfe und ihre Unterstützung. Man kann sich aber fragen: wenn ich eineFreiheit aufgebe, wofür setze ich mich ein. Diese Abwägung, diese Hinwendungzum Positiven, dieser Prioritätensetzung im Leben entgehen wir nicht.
Sich freimachen für etwas oderfreimachen von etwas sind zwei Grundfragen, die wir als Menschen im Leben immerwieder zu beantworten haben. Dass ich die Motivation habe, hin zu etwas, oder wegvon etwas: beides versetzt mich ins denken, beides bringt mich zur Handlung.
Du siehst etwas anders? Du hast einen GedankenImpuls, oder eine besondere Perspektive auf ein Thema? Unser Ziel ist ein offener Austausch auf respektvoller Basis, mit Menschen verschiedenster Ansichten, und gemeinsam weiterzudenken.
Einfach mitgestaltenZUR PERSON
der „Ökomanager des Jahres 2005" wurde 1944 in Fulda geboren. Nach dem BWL-Studium trat er 1970 in das väterliche Unternehmen „tegut..." ein, das er bis 2009 leitete. Es war sein persönliches Anliegen, die Menschen mit gesunden und nachhaltig produzierten Lebensmitteln zu versorgen. Mit der Übergabe des „tegut..."-Handels an die „Migros" 2013 wurde Wolfgang Gutberlet Vorsitzender des Aufsichtsrates der W-E-G Stiftung und Gesellschafter der W-E-G GmbH & Co. KG mit Sitz in Fulda. Wolfgang Gutberlet wurde mehrmals ausgezeichnet, u.a. als Entrepreneur des Jahres 2007, und 2008 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis.